Das Lichterketten-Dilemma
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Ich wollte mit meinen Traditionen feiern, mein Mann wollte seine. Um jede Entscheidung wurde diskutiert:
Soll der Baum echt sein oder aus Kunststoff?
Bunte Kugeln oder nur eine Farbe?
Lametta ja oder nein?
Und die Lichterkette … oh ja, das war der Gipfel der Diskussionen …
Die Lichterkette. Ich wollte "wie in Chile feiern": Eine bunte Kette mit vielen Farben, wenn es geht, mit Musik (Jingle bells, Jingle bells … ja meine Freunde, so was haben wir in Chile, natürlich made in China), alles ganz fröhlich und bunt. Er wollte weißes Licht (oder waren es Kerzen?), schön dezent dekoriert, nicht so viele Farben und wenn möglich sollte der Baum erst am 24. Dezember aufgestellt werden. Seine Vorstellungen etikettierte ich als "langweilig und zu spät", meine Ideen kommentierte er als "too much". So waren wir beide gekränkt. Anspannung statt Entspannung. Wieso können wir es nicht machen wie ich es will? Kannst du nicht meine Vorstellung von Weihnachten begrüßen?
Oft ist es der Wunsch nach Akzeptanz, der hinter den schwierigen Diskussionen steht.
Ich will von dir in allem, was ich bin, akzeptiert werden. Wenn du meine bunte Lichterkette doof findest, findest du mich auch doof? Sind dir meine Traditionen unwichtig?
Diese Einsicht steht uns in einem Gespräch nicht immer zu Verfügung. Manchmal müssen wir ganz schön tief in unserer Seele, im Herzen und Kopf graben, um den Grund unserer Unzufriedenheit zu verstehen. Sonst denkt man, es ginge wirklich um die Lichterkette ….
Das Aushandeln von Unterschieden, die Akzeptanz der fremden Aspekte des Partners sind Themen, die das Leben von binationalen Paaren begleiten, aber nicht ausschließlich solche Paare betrifft. Haben Sie schon mal das "Wienerle und Kartoffelsalat v/s Truthahn-Dilemma" beobachtet?
Große und kleine Rituale, Traditionen geben uns Sicherheit und ein Gefühl von Stabilität: So haben wir es gemacht, so soll es sein. Sie erzeugen in uns ein Gefühl von Geborgenheit, positive Erinnerungen an schöne Momente, real erlebt oder imaginär.
Wenn ich an Weihnachten denke, denke ich an Sonne, warme Tagen, Weihnachtsbäume aus Kunststoff (Sommer, Halbwüste und Nadelbäume ergeben keine gute Mischung), bunte Lichterketten und jede Menge buntes Lametta. Die Geschenke werden nach dem Abendessen geöffnet, so dass die Kinder sofort auf der sommerlichen Straße damit spielen können. Wenn mein Mann über seine Weihnachten als Kind spricht, hat er ganz andere Bilder im Kopf: Schnee, Dunkelheit, der Geruch eines echten Weihnachtsbaumes im Licht von Kerzen. Das ist für ihn Geborgenheit.
Wir Menschen suchen nach dieser Geborgenheit. Das ist gleichzeitig Segen und Fluch, weil wir uns damit auf Vergangenes fokussieren. So wird es schwerer, in der Gegenwart Neues und Gemeinsames für uns als Paar zu erschaffen. Die Verhandlung bei so wichtigen Festen wie Weihnachten ist nicht leicht, aber möglich. Falls es keinen goldenen Weg gibt, können wir immer noch die gute, alt bewährte Regel "einmal du, einmal ich" nutzen.
In meinem Fall haben wir die Lösung für das "Lichterkette - Weihnachtsbaum - Dilemma" nach und nach entwickelt. Zunächst holten wir den Baum dann, wann ich es wollte und schmückten ihn mit der Lichterkette meines Mannes. Ein paar Jahre danach habe ich meine lang ersehnte farbige und musikalische Lichterkette aus Chile mitgebracht. Es stellte sich heraus, ich brauche die Farben und die Musik nicht die ganze Zeit, sondern die Sicherheit, dass ich mich immer wieder über Klänge und Blinken zu meinem chilenischen Weihnachtsfest hinträumen kann. Das kann auch mein Mann verstehen und gut akzeptieren.
Mit oder ohne musikalische Lichterkette, ich wünsche allen schöne alte und neue Rituale an diesem Weihnachtsfest
Valeria Madrid
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