Der Minderwertigkeitskomplex
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Beeindruckend wie meine Schwester damals das Gefühl von Minderwertigkeit, heute würden wir sagen "mangelndem Selbstwert" kompensierte.
"Ich bin nichts wert!" Andere sind selbstsicherer, attraktiver, schlanker, größer, sportlicher, schlauer, lustiger … Wer kennt das nicht? Wir vergleichen uns immer wieder und hoffen durch den Vergleich einen Platz zu ergattern, der uns vielleicht doch bestätigt, dass wir etwas wert sind. Die Falle dabei ist, dass wir an uns selbst das wahrnehmen, was wir nicht so gut können - und bei den anderen das, worin sie hervorstechen. Das kann ja nicht gut gehen!
In der Psychologie kennen wir das Modell der "inneren Teile". Wenn wir einen Menschen beschreiben oder bitten dies von sich selbst zu tun, dann sammeln wir: Was gibt es alles in Ihnen?
Das könnte sein:
- Die Mutige, die sich zu Wort meldet.
- Die Ängstliche, die sich schützt.
- Die Fragende, die auf der Suche ist.
- Die Dankbare, die erlebt hat, dass eine Krise überwunden werden kann.
- Die Wütende, die am liebsten alles klein schlagen möchte.
- Die Strafende, die …
Diese Teile können alle gleichzeitig da sein. Ja nach Situation steht ein Teil im Vordergrund und die anderen sind etwas versteckt. Manchmal widersprechen sie sich auch und wir stehen zwischendrin und werden unsicher. Manche Teile mögen wir sehr, mit anderen tun wir uns schwer.
Je mehr Teile wir zulassen und akzeptieren, umso mehr sind wir mit uns selbst verbunden. Verbundenheit wiederum stärkt das Selbstwertgefühl. Es ist nicht die Konkurrenz mit anderen, die uns einen Wert gibt, sondern die Akzeptanz unserer unterschiedlichen Seiten.
Natürlich stärkt es uns, wenn wir durch Dritte Anerkennung erfahren. Oder wenn wir uns als wirksam erleben: kreativ sind, gute Lösungen finden, unseren Körper im Sport spüren, anderen etwas Gutes tun, Liegengebliebenes endlich erledigen, aufräumen … Diese äußeren Reize brauchen zur Entfaltung ihrer Stärke eine innere Haltung, eine Entscheidung zu sich selbst zu stehen.
Diese Haltung kann eingeübt werden. Eine Idee wäre, vier Wochen lang jeden Abend das zu überlegen (und aufzuschreiben), was mir heute gelungen ist - der Zwillingsgedanke "Aber … es war zu wenig, nicht gut genug …" ist dabei verboten.
Die christliche Spiritualität kennt auch das abendliche "Gebet der liebenden Aufmerksamkeit" Es ist eine Methode, den eigenen Tag ohne Bewertung zu betrachten und Gottes Spuren zu entdecken. Spuren, die mich stärken in meiner Selbstliebe und Zuneigung zu anderen.
Barbara Fank-Landkammer