Einbeziehung von Kindern
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Thomas Rüttgers, Mediator in unserer Stelle und auch in der Mediationsausbildung tätig, zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie Kinder bei Trennungs- und Scheidungsprozessen altersgemäß eingebunden werden können. Er dockt an die Gesetzgebung an, die Richter*innen am Familiengericht verpflichtet, auch die Interessen der Kinder anzuhören und zu berücksichtigen.
Im Bereich der gerichtlichen Bearbeitung von Trennungs- und Scheidungsangelegenheiten gibt es die klare Vorgabe, dass Kinder persönlich anzuhören sind und sich die Entscheider*innen (Richter*innen), ohne Ausnahme, einen persönlichen Eindruck von Kind zu verschaffen haben. Die Klarheit, der Umfang und die Ausnahmslosigkeit dieser Vorschrift beeindruckt und überrascht zugleich:
§ 159 FamFG
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
(1) Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen.
(2) Das Gericht hat sich in diesen Verfahren einen persönlichen Eindruck von dem Kind auch dann zu verschaffen, wenn das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun.
In Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention
sichern die Vertragsstaaten zu, dass das Kind sich eine eigene Meinung bilden darf, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei äußern kann und seine Meinung angemessen und altersentsprechend zu berücksichtigen ist.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VIII
sind Kinder und Jugendliche bei sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht hinzuweisen.
Rein rechtlich gibt es also auf den unterschiedlichsten Ebenen die Ansicht, dass es von zentraler Bedeutung ist, das Kind in den es persönlich betreffenden Angelegenheiten zu hören und zu beteiligen.
Was bedeutet diese Aussage für uns im Beratungsalltag?
In der Tätigkeit der Ehe-, Familien- und Partnerschaftsberatung sind Kinder nicht die primären Zielpersonen. Wir bearbeiten primär Erwachsenenthemen mit Erwachsenen. Zumindest in den Fällen, in denen die Paarberatung in eine Trennungs- und Scheidungsberatung oder eine Mediation übergeht, sollte sich die Blickrichtung anhand der oben beschriebenen Grundannahmen ändern.
Trennung und Scheidung sind (bei Paaren mit Kindern) immer auch Angelegenheiten der Kinder, da diese von den Handlungen der Erwachsenen unmittelbar und dauerhaft betroffen sind und sein werden.
Wenn wir an Beteiligung von Kindern denken, sind unterschiedliche Intensitäten denkbar.
- Information
- Mitsprache
- Mitentscheidung
- Selbstentscheidung
Auf der Zeitachse ist eine Beteiligung denkbar zum Zeitpunkt:
- Im Vorfeld
- Im Verlauf
- Im Nachhinein
Auf der Ebene der Unmittelbarkeit ist eine Beteiligung vorstellbar durch:
- Symbolischen Einbezug (leere Stühle, Fotos, hypothetische Befragung "Was würden Ihre Kinder zu xy denken?" …)
- Persönlicher Einbezug vor Ort (individuelle Kindersitzung, Geschwistersitzung, Sitzung mit Eltern gemeinsam …)
- Digitaler Einbezug (Telefon, Videositzung …)
Generell fängt die Beteiligung mit der Frage an: "Willst Du überhaupt am Prozess der Betreuungs- und Trennungsgestaltung beteiligt sein, oder möchtest Du in Ruhe gelassen werden und Deine Eltern sollen das bestmöglich und zeitnah regeln?"
Schauen wir uns unterschiedliche Konstellationen, die in der Beratungspraxis regelmäßig auftauchen, genauer an:
"Wie und wann sagen wir es unseren Kindern?"
Dieser Satz steht häufig zu Beginn von Beratungen, bei denen mindestens eine Seite bereits den festen Entschluss zur Trennung gefasst hat. Hier geht es um die Frage der Beteiligung durch Information: "Papa und Mama werden sich trennen!"
Diese Form der Beteiligung, möglichst zügig, kann entscheidend sein, denn es sollten die Eltern selbst, am besten gemeinschaftlich, sein, die diese Information überbringen. Es ist ungünstig, wenn die Kinder diese gewichtige Entscheidung über Dritte, ggf. noch zwischen den Zeilen oder aus Versehen mitbekommen.
"Ich will eine Lösung, bei der es den Kindern gut geht!"
Häufig gibt es hier im Detail Differenzen zwischen den Eltern. Bei dieser Frage könnten die Beteiligungsebenen des Mitsprechens bzw. des Mitentscheidens denkbar sein. Beim Mitsprechen versucht man die Gedanken und Gefühle des Kindes zu ergründen, um diese in den weiteren Prozess zwischen den Eltern einzubeziehen. So werden Streitereien darüber vermieden, wer näher an den Kindern dran ist, die Gefühle und Bedürfnisse der Kinder besser im Blick hat etc. Beim Mitentscheiden kann man entweder konkrete Lösungsoptionen mit den Kindern selbst erarbeiten, oder aber nur die Gedanken und Reaktionen zu von den Eltern gefundenen Lösungsoptionen abfragen.
"Wie schaffen wir es, dass die Kinder zwei Orte haben, die sie als Zuhause empfinden?"
Bei dieser Fragestellung ist die höchste Form der Beteiligung vorstellbar, das Selbstentscheiden. Fragen wie: "Welche Spielsachen, Stofftiere etc. sollen wo/ bei wem wohnen? Wie soll Dein/Euer Zimmer gestaltet sein, damit Ihr Euch wohlfühlt? Welches Bett, welchen Schreibtisch sollen wir besorgen? Welches Zimmer in der neuen Wohnung willst Du beziehen. Welche Farbe soll es haben?" sind denkbar und entsprechen dem kindlichen Entscheidungshorizont.
"Dürfen die Kinder mit dem nicht betreuenden Elternteil telefonieren, wie oft, zu welchen Zeiten?"
Auch hier kann eine Beteiligung der Kinder sinnvoll sein. Man kann an das Mitsprechen oder das Mitentscheiden denken. So kann man herausfiltern, ob es ein Eltern- oder ein Kinderinteresse gibt. Wenn die Eltern selbst über ihre Zeit bestimmen möchten, werden nicht alle Wünsche des Kindes und des anderen Elternteils erfüllbar sein. Beim Selbstentscheiden können sich Probleme ergeben, weil dadurch logistische Probleme entstehen können (z.B. eigenes Telefon? Was tun bei Nichterreichbarkeit?) oder Kontakt- und Bindungszeiten beim betreuenden Elternteil gestört werden können (ständige latente Anwesenheit des anderen Elternteils, Konflikte nicht vor Ort selbständig austragen).
Wie lange können wir in die Zukunft schauen?
Wenn man an Beteiligung denkt, ist auch der Zeithorizont zu beachten, für den Lösungen gefunden werden sollen. Erwachsene können in der Regel 12-18 Monate in die Zukunft blicken und sich festlegen. Darüber hinaus kommen dann schwer zu kalkulierende Unwägbarkeiten des Lebens hinzu. "Werde ich das kräfte- und gesundheitsmäßig stemmen können? Bleibt bei mir im sozialen und beruflichen Bereich alles stabil? Wie reagiere ich/wir auf entwicklungsbedingte Änderungen bei den Kindern?" ...
Bei Kindern ist dieser Zeithorizont entwicklungsbedingt erheblich kleiner. Selbst ältere Kinder haben Schwierigkeiten mehr als ein Schuljahr vorauszublicken.
In der Konsequenz könnte das heißen, das die Beständigkeit von getroffenen Vereinbarungen in vielen Bereich eine Illusion ist und routinemäßig in regelmäßige Zeitabständen unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung überprüft werden muss.
Wir haben uns in der Beratungsstelle für 2025 vorgenommen diesen Fragen für die Beratungspraxis nachzugehen und Antworten zu finden, die die Bedürfnisse aller Beteiligten würdigen und die Kinder dennoch mehr in den Fokus rücken können.