Fremd fühlen
Free-Photos_pixabay.com
Doch ich schlafe nicht mehr so viel in der Bahn.
Die Maske verändert das Befinden und Verhalten. Schon beim Einsteigen lautet die Frage: Wo gibt es den größten Abstand? Ist das Fenster offen, geht die Lüftung?
Da drüben hat jemand seine Maske abgenommen. Bleibe ich sitzen oder wechsle ich? Spreche ich ihn an?
Jede und jeder könnte eine potenzielle Virenschleuder sein. Auch ich.
Und so fühle ich mich fremd in der guten, alten Bahn. Fremd den Menschen gegenüber mit denen ich morgens und abends unterwegs bin. Wir haben meist nicht miteinander gesprochen. Aber es war eine vertraute Selbstverständlichkeit, im gleichen Rhythmus unterwegs zu sein.
Statt in die Geo-Zeitschrift des Sitznachbarn zu linsen, den neuen Rucksack der eben eingestiegenen Mitfahrerin zu bewundern oder einfach Musik zu hören und vor sich hin zu dösen, verengt sich alles auf die Frage: Wie sicher ist es? Und da es darauf keine Antwort gibt, bleibt die Anspannung bestehen.
Die Bahnerfahrungen könnte ich auf viele andere Situationen übertragen. Es ist eine der schwierigsten Begleiterscheinungen von Corona, dass wir uns gegenseitig als potentielle Gefahrenquelle erleben.
Doch wir müssen lernen, damit umzugehen. Was könnte helfen?
- Wir haben auch in der Vergangenheit auf Tuchfühlung mit Bakterien und Viren gelebt. Wir haben nur nicht täglich darüber nachgedacht. Das ist jetzt anders. Ein bisschen könnte die Erinnerung an früher die Panik begrenzen.
- Die Masken schützen zuerst nicht uns selbst, sondern die anderen. Ein Akt der Solidarität also. Doch da sich weder die anderen bei mir, noch ich mich bei ihnen bedanken, fehlt der positive Verstärker von außen. Gibt es einen inneren?
- Lächeln verbessert die Atmosphäre - auch mit Maske.
- Gewohnheit macht sicherer. Die erste Zeit mit Maske war schwieriger als jetzt.
- Hinter die Maske schauen - da sitzt noch immer ein Mensch
- Vertrauen können - ein Wert, der wichtig ist für unser Zusammenleben; ein Wert den wir nicht aufgeben müssen.
- … ab und zu die Vielfalt der Masken ringsherum bestaunen. Wie sähe wohl der völkerkundliche Rückblick "Corona 2020* im Landesmuseum aus?
Barbara Fank-Landkammer