Herbst-Liebe
Illusionen über sich selbst und die Ehe haben sich weitgehend abgenutzt. (Das kann auch befreien…)
Waren es früher Herausforderungen rund um die work-family-love-balance, die die Paare meistern mussten, so gibt es nun andere Themen. Sie sind nicht einfacher.
"In guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit …" Dieses Versprechen wird in den Jahren der Herbst-Liebe häufiger strapaziert als einem lieb ist. Denn Krankheit verschont wenige, die das 60. oder 70. Lebensjahr überschritten haben. Die Endlichkeit des Lebens, des gemeinsamen Lebens, wird bewusster. Menschen im Umfeld sterben oder die Partner*in/ der Partner erkrankt schwer.
Befürchtungen, Ängste, Rückzug, Wut, Anklagen - all das bringt eine schwere Krankheit mit sich. Dabei ist die Situation des Erkrankten anders als die des Angehörigen, auch wenn beide leiden. Der/die Erkrankte ist sehr mit dem eigenen Körper, mit Schmerzen und den unterschiedlichen Therapien und ihren Nebenwirkungen beschäftigt. Vielleicht rückt auch der eigene Tod, das mögliche Lebensende in den Blick. Die Möglichkeit, sich empathisch um Anliegen Dritter zu kümmern, nimmt eher ab. Das soziale Interesse wird von der eigenen Not überdeckt. Eine Zeit des Selbstmitleides ist normal …
Als Angehörige*r kann die Ohnmacht übermächtig sein: Selbst nichts tun können, aushalten, mittragen und hoffen müssen, auch wenn man Angst hat; schlechte Stimmungen nicht auf die Goldwaage legen. Das ist nicht immer leicht. Dazu der Gedanke "Würde die Krankheit tödlich enden, stünde ich alleine da ..." Da die Gespräche mit dem erkrankten Partner/der Partner*in weniger Raum für das Eigene haben, gehören Momente der Einsamkeit bereits jetzt dazu - was u.U. die Panik verstärkt und ein negativer Kreislauf wird in Gang gesetzt.
Soll- und Haben-Seite
Den niederdrückenden Schwergewichten auf der Soll-Seite steht zum Glück Einiges auf der Haben-Seite langjähriger Beziehungen entgegen, da sind: Erinnerungen an gute Tage / die Erfahrung, dass sich Anspannungen lösen können / das Wissen, dass man sich manchmal fremd wird, aber dies nicht heißt, dass die Liebe gegangen ist / erworbenes Vertrauen in sich selbst / gereifte, tragende Spiritualität ... und hoffentlich ein Freund, eine Freundin an der Seite. Damit die Gedanken und Sorgen, die in der Ehe gerade weniger geteilt werden können, ausgesprochen dürfen und sich etwas beruhigen können.
Krankheit und Krise zeigen uns, was und wer uns am Herzen liegt. Was wirklich wichtig ist.
Sind sie überstanden, wächst die Dankbarkeit! Und unsere Herbst-Liebe leuchtet wie der tiefblaue Altweibersommer, der die Herzen erwärmt.
Barbara Fank-Landkammer