Typisch!
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Ende eines Kinoabends
Sie hat Tränen in den Augen und ist vom Film berührt.
Sie: "Es ist im Film doch gerade wie bei uns gewesen. Findest du nicht. Wie geht es denn dir jetzt?
Er: " Der Film war ok."
Sie: "Typisch Mann, du kannst einfach nicht über deine Gefühle reden."
Er: "Typisch Frau, du musst aus allem ein Drama machen."
Was ist passiert?
Nun, sie sahen den gleichen Film, doch es waren nicht dieselben Bilder und Eindrücke in ihren Köpfen. Die Wahrnehmung von Menschen unterscheidet sich. Unwillkürlich filtern wir das Gesehene und Gehörte auf der Basis unserer bisherigen Lebenserfahrungen. Wir sind geprägt durch unsere Grundstruktur, die eher rational-distanziert, emotional-hingebend, auf Sicherheit ausgerichtet oder die Veränderung suchend sein kann (vgl. Grundformen der Angst von Fritz Riemann).
Wir tendieren dazu, Eigenschaften wie rational und funktional als männlich anzusehen und starke Emotionen als weiblich. Ja, diese Merkmale zeigen sich gehäuft bei Männern bzw. Frauen, aber sie sind natürlich nicht "exklusiv" oder ausschließlich nur einem Geschlecht zugehörig. So machen wir uns die Welt ein bisschen einfacher, verständlicher, vorhersehbarer … Daneben filtern wir das Gesehene und Gehörte auch entsprechend unserer augenblicklichen Verfasstheit und Bedürfnisse. Unsere Sehnsüchte spiegeln sich in der Wahrnehmung.
So ist es verständlich, dass ein und derselbe Film unterschiedliche Resonanzen auslöst. Dazu kommt, dass wir auch in der Art, ob und wie wir diese inneren Reaktionen ausdrücken, verschieden sind. Wir denken aber oft, wenn man sich liebt, fühlt man dasselbe. Wir verwechseln Bindung, eine gute Beziehung haben mit Gleichklang.
Liebesbeziehungen leben aber von den Unterschieden. Der Austausch über das Erlebte, das Vertrauen alles sagen zu können, auch Gegensätzliches und die Sicherheit, sich einander Freiraum schenken zu können, das ist Liebe.
Anscheinend ist dies den Beiden in der obigen Szene nicht bewusst. Sie bekommen Angst, fühlen sich abgewertet und werten sich gegenseitig noch mehr ab mit der Floskel "Typisch Mann - typisch Frau". Statt Schubladendenken ist Türöffnen angesagt. Seien wir neugierig auf die Unterschiede, sehen wir sie als Salz in der Suppe, als Kit unserer Beziehung, als Chance sich immer wieder neu zu entdecken.
Barbara Fank-Landkammer/Valeria Madrid