Aus 2 werden 3
Sie waren füreinander da, es war schön. So entschieden sich zum nächsten Schritt und zogen zusammen. Viel änderte sich in der Beziehung nicht. Sie mussten ab jetzt die Wäsche anders sortieren und die Einkaufsliste für die Woche erweitern.
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Ein paar Jahre später wurden sie schwanger. Das war ihre Wortwahl: "Wir sind schwanger, weil wie beide Eltern sein möchten." In der Schwangerschaft war alles ok. Mary kaufte sich ein paar Bücher über Babyentwicklung und ermutigte Peter Podcast für werdende Väter anzuhören. Beide freuten sich darauf, eine Familie zu werden. Sie waren zuversichtlich, die Veränderungen gut miteinander meistern zu können.
Anna, der Wonnebrocken
Mit der Geburt ging alles gut, Anna lachte viel und schlief einigermaßen gut. Trotzdem war Mary durch die neuen Anstrengungen und Aufgaben erschöpft. Sie war zuhause und übernahm viel im Haushalt. Sie hatte Verständnis, dass Peter weniger machte, schließlich ging er arbeiten. Sie wollte ihm eine gute Partnerin sein; die perfekte Partnerin, die alles meistert. Deshalb sprach sie ihre Erschöpfung nicht an. Insgeheim legte sie trotzdem ein kleines Konto mit "Peters unerledigten Aufgaben" an. Zunächst waren es nur kleine Dinge, nicht der Rede wert. Doch mit der Zeit wuchs die Liste an: Gestern Abend musste ich die Kleine zum dritten Mal in der Woche allein ins Bett bringen / Peter verbringt zu viel Zeit mit dem Handy … Früher hätte ihr das nicht so viel ausgemacht.
Währenddessen versuchte Peter sein Bestes für seine Familie zu geben. Er stand früher als sonst auf, widmete sich Anna, damit Mary etwas Zeit für sich hatte, bevor er zur Arbeit ging. Er lernte zu füttern, Windeln zu wechseln und zu erkennen, was die Kleine braucht. An seinem freien Vormittag ging er mit Anna im Kinderwagen joggen. Seit ihrer Geburt hat er sein Sportprogramm reduziert, was ihm nicht leichtfiel - er spürte den Trainingsrückstand.
"Vielleicht sollte jeder von uns an drei Tagen der Woche abends frei haben?"
Als Peter Mary diese Lösung mit den Worten: "Mary, du triffst keine anderen Menschen zurzeit, wenn sie nicht mit Kindern zu tun haben" anbietet, kommt das nicht gut an. Mary sagt nichts und denkt nur: "Er findet mich doof, anstrengend und unlustig. Aber wie kann ich lustig sein, wenn ich die ganze Zeit müde bin? Einer von uns muss die Verantwortung übernehmen, und Peter will das nicht, oder?"
Peter seinerseits sagt sich: "Egal wieviel ich mache und was ich vorschlage, es ist nie recht." Er weiß, sie liebt ihn, aber manchmal will sie Sachen erledigen, die er nicht wichtig findet und will über Sachen reden, die er nicht versteht. Sie kommen zurzeit auf keinen gemeinsamen Nenner. Früher haben zusammen so viel Spaß gehabt, haben alles miteinander geteilt und jetzt … wir haben nicht mal Sex miteinander. Die Gespräche mit Mary sind ermüdend und voller Kritik.
Auch Peter fühlt sich überfordert. Doch er möchte das Thema mit Mary nicht anschneiden. (Was wird sie denken, wenn sie hört, dass ich war von Anna genervt war, weil sie nicht einschlief? Sie wird glauben, ich liebe unsere Tochter nicht). Im Moment kann er nur entspannen, wenn er allein ist, Sport treibt, am Computer spielt oder Videos auf Handy schaut.
Mary sieht und spürt, wie Peter sich von ihr entfernt. Ihre Stimmung pendelt zwischen "Nichts sagen, Mund halten" und regelrecht explodieren. Sachen, die sie früher übersehen hätte, bringen sie jetzt zur Weißglut. Ihre innere negative Peter-Liste hat so viele Punkte, dass sie nicht mehr weiß, mit was sie anfangen soll und lieber alles in sich hineinfrisst.
Im Boot von Mary, Peter und Anna sitzen Viele
Die Situation von Peter und Mary trifft die Lage vieler Paare mit kleinen Kindern, gerade wenn kaum Unterstützung durch Dritte vorhanden ist. Sie haben hohe Ansprüche an sich als Eltern und verlieren durch die Anstrengung, die ein kleines Baby neben der Freude auch bedeutet, den Kontakt zueinander. Sie reden zwar über Alltägliches, aber ihre Ängste, Befürchtungen und Bedürfnisse bleiben unter dem Teppich. Mary befürchtet Peter liebt sie nur, weil sie "alles schafft”. Peter glaubt, seine Unsicherheiten im Familienleben, seine Überforderung sind etwas, was er nicht zeigen sollte, auch er sollte für sie perfekt sein, immer stark erscheinen.
Um ihre Situation zu ändern, müssten beide zunächst ihren eigenen Lösungsansatz in Frage stellen: Bisher hat Mary vieles allein getragen, ohne einen Mucks zu sagen. Peter weiß nicht, wie schwer das Gewicht der Verantwortung für sie ist. Als "Expertin für Familie” gibt es keinen Platz mehr für Leichtigkeit und Akzeptanz, wonach sie sich sehr sehnt.
Peter löste im Leben Konflikte häufig durch "aus der Situation gehen". So kann er sich beruhigen und ist auch weniger mit den eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert, die er nicht mag. Doch durch die Distanz wirkt er auf Mary abwesend oder uninteressiert.
Sich ein Herz fassen
Die Nachteile, die für die Paarbeziehung durch das eigene Muster entstehen, zu erkennen und sich ein Herz zu fassen, miteinander ins Gespräch zu gehen - das wäre ein Weg zu mehr Zufriedenheit. Den anderen nicht für das eigene Unwohlsein verantwortlich zu machen. Nicht bei der angeblichen Schuldfrage stecken zu bleiben, die nie eindeutig zu klären wäre - was ist Henne, was ist Ei? Stattdessen ginge es darum, über die Gefühle zu reden, über die Bedürfnisse (Was braucht meine Seele), sich gegenseitig zuzuhören und Verständnis zu zeigen. Verständnis für die Wunde des Partners ist eine wichtige Zutat in der Partnerschaft, genauso wichtig wie eigene Grenzen zu erkennen. Zugegeben, nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung. Diese Akzeptanz, dass manches in dieser Etappe nicht (mehr) geht, gehört zur Wachstumsaufgabe eines Paares.
Die Themen "Und wer geht heute einkaufen?" oder "Wer wird mit Anna auf dem Spielplatz sein?" werden weiterhin bestehen. Aber es gäbe nun einen Boden, der sich gleichermaßen durch Empathie füreinander und liebevolle Selbstfürsorge auszeichnet. Das macht vieles einfacher.
Valeria Madrid